Ich hoffe, dass du jetzt sehr wach bist und mir gut folgen kannst. Denn das was ich dir heute sage, erfordert einen wachen Geist. Ich weiß, dass du in letzter Zeit oft müde bist und höchstwahrscheinlich schon den Urlaub gebucht hast. Oder du hast eine enorme Sehnsucht nach etwas Auszeit. Wahrscheinlich bist du genauso müde wie ich, wie viele andere auch. 

Doch die Frage ist: Wovon sind wir genau müde? Worum geht es, wenn wir schon erschöpft morgens aufwachen? Ist das wirklich die Matratze, ist es wirklich das Kind oder der schnarchende Partner oder Partnerin? Sind es wirklich „nur“ die Lebensumstände, die uns derart erschöpfen?

Ich höre im Moment sehr oft die Menschen beklagen, dass sie sich gar nicht mehr erholen, dass sie gar nicht wissen ob jetzt Freitag oder Montag ist. Es ist eine Last auf den Schultern, ein Nebel im Kopf, eine Fußkette, die nicht mehr loslässt. Ist das das normale Leben eines Erwachsenen? Es scheint so, oder? 

Alle sind müde. Guck dich doch mal um – die Menschen an der Kasse, im Park, auf Social Media. Und selbst das Wetter macht im Moment nicht mit, als hätte auch das beschlossen für immer müde zu sein.

Zunächst möchte ich dir und auch mir die Illusion nehmen, dass es im Urlaub oder danach besser wird. Ich weiß, es gibt nichts Schöneres als die Vorstellung jetzt endlich ans Meer zu fahren, in den Urlaub, mal woanders sein. Wir glauben, wenn wir nur eine Woche woanders sind, in einem fremden Bett schlafen, dann wird es schon. Dann kommen wir nach Hause, wo sich zwar an sich nichts verändert hat, zurück, aber immerhin sind wir dann etwas erholter. 

Doch jetzt mal ehrlich, schon auf dem Rückweg werden wir merken, dass es viel zu viel ist, dass wir am liebsten schon jetzt den nächsten Urlaub buchen würden. Egal wohin, nur bloß nicht in den alten Trott. Vielleicht bekommst du schon auf der Autobahn Herzrasen bei dem Gedanken an die ganzen To-Dos, an die Meetings, vielleicht sogar an den Menschen mit dem du zusammen wohnst. 

(Keine Sorge: du musst dich dafür nicht schämen. So geht es sehr sehr vielen Menschen, sie geben es nur nicht zu.) 

Solange wir uns immer nur erholen, ohne die Wurzel der Erschöpfung zu greifen, wird sich nichts verändern. Der Urlaub wird weder dich, noch mich weiter bringen. Und jetzt mal ehrlich – das weißt du auch.

Worum geht es hier konkret bei dieser endlosen Müdigkeit und diesem unendlichen Wunsch nach Urlaub?

Das wovon du Urlaub und wirklich wirklich Erholung brauchst, ist die Leere in dir.

Du wünscht dir nichts mehr, als den inneren Druck zu entlassen und ganz ohne Angst dir selbst zu begegnen. Wertfrei sein, sich absichtslos durch den Tag zu bewegen. Das wär’s doch jetzt, oder?

Ich möchte mir erlauben zu sagen, dass so ein Sein auch im Alltag – mit allem Pipapo, Arbeit, Beziehung, Kinder – möglich ist. Du darfst jetzt aufhören von Urlaub zu Urlaub, von Wochenende zu Wochenende zu leben. Von der guten Phase bis zur nächsten guten Phase, dazwischen – das Leben.

„Schön und gut, und nun?!“, denkst du jetzt vielleicht und willst die beliebte Checkliste von mir. Die habe ich mal wieder nicht, sorry. Aber ich habe klare Ansagen, die ich machen möchte, du darfst sie gerne persönlich nehmen:

Du wirst dich NICHT erholen, indem du dich mehr schonst.
Du wirst NICHT zu Kraft kommen, indem du deine Schwäche pflegst.
Du wirst NICHT gesünder, indem du dich für noch kränker hältst…
Im Gegenteil!

Ich möchte mit dir etwas aus meinem Leben teilen, nämlich die tiefverwurzelte Überzeugung, ich sei überfordert. Ich war wirklich lange Zeit nahezu immer erschöpft. Es war mir alles zu viel! Und immer dieses Ärgern, dass ich schon wieder ein Projekt zu viel angenommen habe, dass ich diese eine Verabredung nicht abgesagt habe, dass ich es nicht schaffe auf mich aufzupassen.

Es waren manchmal ziemlich simple To-Dos, die in einem durchschnittlichen Leben vorkommen. Wie du sicherlich weißt, arbeite ich selbstständig und das bringt viele Termine, sehr viele Verantwortungen mit sich. Dass ich diesen Text verfasse, aufschreibe und aufnehme, steht schon seit eine Woche in meinem Kalender. Doch neben der Arbeit gibt es ja eben auch das Privatleben, die inneren Prozesse, die Zeit für die Menschen die man mag oder liebt. 

Naja, du weißt schon was ich meine. Never-Ending-Story von „eigentlich ist es alles zu viel“. Das ganze Leben ist zu viel! Vielleicht sollte ich auswandern, mich aus dieser Gesellschaft rausziehen, in den Wald ziehen, das Handy ausmachen und einfach nur in den Himmel schauen. 

Dass das Leben eigentlich zu viel ist, das es eigentlich gar nicht alles schaffbar ist, diese Überzeugung und dieses Empfinden beobachte ich bei sehr vielen Menschen in meinem Umkreis und besonders auch in den Coachingsessions. Die Menschen berichten über chronische Müdigkeit, über den krankgewordenen Körper, der sich die Zeit nimmt und somit die Erlaubnis, sich erholen zu dürfen. Es ist wie ein schwerer Mantel, der uns alle eingehüllt hat in die Überzeugung, dass alles zu viel ist. 

Wir definieren uns als Wesen im energetischen Mangel – das ist ein Teil der Ursache, und nicht der Lösung!

Natürlich gibt es Lebenssituationen, die sehr herausfordernd sind, gerade in diesen Zeiten, das ist mir total klar. Trotzdem möchte ich über diese Grundüberzeugungen sprechen, diese tiefsitzende Müdigkeit in unseren Zellen. Diese Stimme, die uns immer und immer wieder die vermeintliche Wahrheit sagt, dass das Leben eigentlich so nicht schaffbar ist. Entweder sind wir für dieses Leben nicht geschaffen – oder wir sind einfach zu schwach. 

So entsteht immer mehr die Überzeugung, wir müssten eigentlich weniger machen, wir trauen uns viel zu viel zu, wir müssten uns mehr erholen. 

Ich glaube es nicht. Ich glaube, genau das Gegenteil ist der Fall und genau das Gegenteil müssen wir tun, um weniger müde zu sein.

Ich sage es jetzt so, wie es nach meiner Meinung ist: 

Wir sind nicht überfordert, wir sind unterfordert.
Wir sind nicht gestresst, wir sind gelangweilt.
Wir machen nicht zu viel, wie machen nur nicht das Richtige und davon viel zu viel.
Das Leben, die Gesellschaft in der wir leben ist nicht zu viel – das alles ist uns im Kern viel zu wenig!

Erinnere dich an deine Kindheit, an dein kleines Ich, da warst du doch mit Sicherheit voller Neugierde, voller Wahnsinn und Präsenz. Du warst offen für die Intensität, für das Lernen, das Erfahren und für echten Kontakt. Dir war die echte Verbindung noch nicht fremd, weder zu dir noch zu den Anderen. Natürlich auch für stille Momente, Erholen und Schlafen, aber auch für auf den Putz hauen, für das Toben, für das Nichtwissen um die Bewertung im Außen.
Und wie selten müde wir damals waren! 

Wir alle lernen durch unsere Familien, das Schulsystem und generell die Gesellschaft, dass es nicht gut ist so intensiv zu sein, so präsent und neugierig. Wir lernen uns zu regulieren, wir lernen uns zurück zu stellen. Unsere Impulse verschwinden immer mehr, weil sie keinen Platz in diesem Leben bekommen. Wir passen uns an, in der Hoffnung so zu werden wie alle Anderen, dass wir Freunde finden, dass wir Liebe erfahren. Doch dann passiert etwas Tragisches – wir selbst vergessen wie lebendig wir eigentlich sind. Und weil wir es vergessen haben, trauen wir es uns gar nicht mehr zu Lebendigkeit zu spüren! 

Irgendwann wurde es leicht uns hinter der Müdigkeit zu verstecken, und es auf das intensive Leben zu schieben, statt in die echte Lebendigkeit zurück zu kommen. So erscheint jede Aktivität die uns zurück ins Leben holen könnte, als etwas total „anstrengendes“, als etwas total „intensives“, weshalb wir wir das immer wieder auf später verschieben.

Das Leben fordert uns in unserem Potenzial viel zu wenig, deshalb schlafen wir, deshalb sind wir so sehr gelangweilt! Und aus diesem Grund glauben wir diese universelle Lüge:
Wir seien viel zu müde für „all das“. 

Wenn dich eine Sache besonders erschöpft, dann kannst du davon ausgehen, dass sie nicht deinem Potenzial entspricht, dass es dich eigentlich nur noch langweilt. Es ist nicht zu viel an Arbeit, die Arbeit ist einfach öde. 

Wenn dich Menschen erschöpfen, dann ist dafür nicht der Grund, dass du keine Menschen abkannst oder sie „Energievampire“ sind,, sondern dass sie dein Potenzial nicht fördern, dass sie dich noch mehr zum schlafen bringen. 

Sorry es so zu konkret formulieren: Deine Freunde und vielleicht sogar der Mensch, mit dem du zusammen bist, ist auch am Pennen, ebenfalls gelangweilt bis zum geht nicht mehr.

Unser eigentliches Potenzial würde sich über das, was heute ansteht oder die letzten Wochen so war, sich eigentlich kaputt lachen. Zu Recht! 

Besser wird es nicht von alleine. Das Leben vergeht. Es wartet darauf von dir geweckt zu werden. 

Wenn du magst, erzähle ich dir von meinem Weg:
Wie du sicherlich weißt, habe ich eine Muskelerkrankung, die eine enorme körperliche Schwäche und dadurch Erschöpfung im gesamten Organismus mit sich bringt. Ganz lange dachte ich, ich muss es akzeptieren, mich nun mal eben mehr erholen als Andere, weniger Projekte annehmen, konzentrierter arbeiten, fokussierter und strukturierter. Ich dachte, ich müsste nur bessere Grenzen setzen, ich müsste einfach mehr Nein sagen, und mich entscheiden, ob ich beruflich erfolgreich sein, eine gute Beziehung führen oder mich eben erholen möchte. 

Kleiner Spoiler: Alles völliger Quatsch! 

Der Wendepunkt kam in mein Leben, als ich begriffen habe: „Fuck, dein Körper ist gar nicht müde. Du bist einfach nur verdammt gelangweilt! Du hast dich runterreguliert, deine Zellen und dein Geist schlafen. Das ist das ganze Problem!“ Das hat alles verändert. 

Ich könnte jetzt dazu sehr viel mehr sagen, doch ich möchte mich darauf fokussieren, dir eine kleine Übung mitzugeben, wie du zurück in die Lebendigkeit kommen kannst und dein Körper trauen darf, sich daran zu erinnern, wofür er eigentlich hier ist. 

Zunächst möchte ich dich dazu einladen in Erwägung zu ziehen und es sacken zu lassen, dass du bis zum Tode gelangweilt bist. Du bist nicht erschöpft, du bist gelangweilt. Okay?

Nur das Aussprechen und in Erwägung ziehen dieser Option, können sich überhaupt deine Zellen schütteln und du kannst ganz langsam beginnen aufzuwachen. 

Auch an dieser Stelle möchte ich sagen, sollte es nicht so schnell gehen, wie du es dir vorstellst, ärgere dich nicht schon wieder, nimm es einfach nur wahr. Denn um dich herum geht es sehr vielen Menschen gerade so, das macht das ganze mit der Müdigkeit und dem Erwachen des Potenzials nicht gerade leichter. 

Jetzt kommt noch ein Tipp mit einer kleinen Übung, die wir intuitiv alle können, auch die unter uns, die nicht laufen können oder ihren Körper insgesamt nicht bewegen können. Und zwar ist es die intuitive Bewegung, die der Körper verlangt, die vielleicht aber nicht den Gesellschaftsnormen entspricht. 

Bevor du denkst, dass ich nun völlig verrückt bin, möchte ich dir kurz erzählen was ich damit meine. Als Kind haben wir uns intuitiv bewegt, sind gesprungen, haben uns auf den Kopf gestellt, haben geschrien, geweint, haben getanzt. Irgendwann nicht mehr. Weil es sich so nicht mehr gehört, das wurde uns beigebracht, stimmt’s? Die Straßen werden alle einheitlich gebaut, die Winkel gerade gesetzt, alles in einem einheitlichen Grau. Bei so vielen individuellen Wesen kann ich mir gerade überhaupt nicht vorstellen, dass es wirklich der Natur des Menschen entspricht – und ich bin mir sicher, du verstehst genau was ich meine. 

So, was gibt es als Nächstes zu tun?
Ich würde dir eine ganz besondere Übung empfehlen, bei der du erst mal nur langsam lernen darfst dich so zu bewegen, wie früher als Kind. Keine Sorge, ich möchte dich nicht dazu bringen auf die Straße zu gehen und verrückt zu tanzen, falls es dir jetzt noch zu peinlich ist, das kann ich verstehen. Beginne jetzt bei deinen Füßen und Händen. Das kannst du jetzt sofort machen, ganz egal wo du sitzt oder stehst. 

Bewege deine Füße und Hände so, wie sie selten bewegt werden oder wahrscheinlich sogar nie. Du beginnst erstmal lediglich mit dem Kennenlernen deiner eigenen Füße und Händen, du begegnest ihnen und ihr beide realisiert, dass deine Füße und Finger zu Tode gelangweilt sind!

Ich bin mir ziemlich sicher, dass vor allem in deinen Füßen eine Menge Informationen darüber steckt, wie gelangweilt du und dein gesamter Organismus ist. Es ist auch eine Menge Traurigkeit darüber, dass du nicht deinen eigenen Weg gehst, dass du dich nicht „bewegst“ und nicht das nutzt, was dir vom Leben in deinen Körper hineingegeben wurde. Deine Händen würden gerne mal wieder das echte Leben greifen – stattdessen machen sie unnützes Zeug.

Und jetzt bewegst du deine Füße so neu, so kreativ, so originell, besonders falsch, extrem peinlich, schief und doof, wie es nur möglich ist. Du erlaubst dir die Hässlichkeit, die dir viele Jahre abtrainiert wurde – und die Lebendigkeit, um die du vergessen hast. 

(Wenn du dich aufgrund einer Behinderung nicht körperlich bewegen kannst, schließ deine Augen und schüttle dich mindestens 10 Minuten lang in deiner Phantasie. Bleib dabei auf deinen Körper konzentriert.)

Bewegt dich NEU und „falsch“, so wie es dir möglich ist, egal ob auf der Straße, in deinem Garten oder in deiner Wohnung. Die einzige kleine Vorgabe ist: Es gibt überhaupt keine Regeln. Wenn jetzt dein Kopf sagt, dass ich spinne oder dass es dir überhaupt nicht möglich ist, oder dass deine Scham dafür viel zu groß ist, oder… oder du weißt einfach nicht WIE du das machen sollst, dann kann es sein, dass auch dein Kopf ziemlich gelangweilt ist. Nicht nur dein Körper schläft, dein Kopf auch. (Mach dir keine Sorgen, den bekommen wir auch schon wach.) Jetzt erst mal geht es NUR um diese 5 Meter, 10 Minuten, ein kleiner Radius der Freiheit. 

Ich verspreche dir, du wirst dich danach totlachen, dass du das gemacht hast. Weißt du was noch witziger sein wird? Du wirst davon mehr wollen. 

Diese kleine Übung belassen wir an dieser Stelle dabei, okay? Gleich wird sich eine neue Welt im Größeren für dich eröffnen. Es werden Energien freigesetzt, die ganz natürliche Neugierde und Freude, die Welt zu entdecken und sie für sich zu erobern, geweckt. Es ist der Ursprung in unserem Körper, mit dem wir auf diese Welt gekommen sind, die Freude zu empfangen und die Liebe bedingungslos anzunehmen und zu geben. 

Nur diese kleine Übung, kann und wird – wenn du sie wirklich machst – dein Leben verändern. Du wirst anders arbeiten, du wirst anders Menschen begegnen, du wirst anders kommunizieren, du wirst die Verbindung zu dir selbst fühlen, deine Kreativität wird erwachen und – ja, das meine ich todernst – deine Sexualität wird sich enorm verbessern.

Alles wird sich verändern. Du begegnest dir selbst und scheißt immer mehr auf die Anderen.

Bist du bereit?

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(Foto Beitrag: Ahmad Odeh via Unsplash)

 

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